Schon Platon thematisierte in seiner Höhlenallegorie, wie schwer sich Menschen mit Veränderung tun. Die Allegorie beleuchtet nicht nur im übertragenen Sinne wichtige Faktoren einer Veränderung.
In seiner Höhlenallegorie erzählt Platon von einer Gruppe von Menschen, die ihr ganzes Leben an die Wand gefesselt verbracht haben. Ein Kamin hinter ihnen versorgt sie mit Licht. Sie können weder zurück- noch sich gegenseitig anschauen, sondern nur die Schatten dessen an der Höhlenwand sehen, was hinter ihnen geschieht. Das ist ihre Realität. Platon war der Meinung, dass ein freigelassener Gefangener mit dem hellen Licht des Feuers sowie mit der neuen Realität vor ihm zu kämpfen hätte. Er vermutete, dass der Gefangene direkt zurück in die Höhle laufen würde: seine Komfortzone. Würde der Gefangene ganz aus der Höhle gedrängt, wäre er geblendet von dem harten Sonnenlicht und wütend. Es würde ihn Zeit kosten, sich auf das Licht einzustellen, die neu gefundene Realität zu erkennen und anzunehmen.
Wenn der Gefangene schließlich das Leben außerhalb als Verbesserung empfinden würde, so meinte Platon, würde er versuchen, seine Mitgefangenen davon zu überzeugen, ihm zu folgen. Er würde die Höhle wieder betreten und nun Schwierigkeiten haben, sich an die Dunkelheit anzupassen. Anstelle einer Verbesserung würden die Mitgefangenen seine Probleme bemerken und zu dem Schluss kommen, dass der Weg schädlich und besser nicht zu folgen sei.
Die Notwendigkeit, eine Veränderung zu erleben:
Platons Meinung fußt auf der Erkenntnis, dass man nichts für jemand anderes erleben kann. Um in der Allegorie zu bleiben: Change-Initiatoren kennen die Welt außerhalb der Höhle und kommen (in Kenntnis des Lebens in der Höhle) zum Schluss, dass sich das Leben der Gefangenen verbessern würde, wenn sie frei wären. Aus ihrer Sicht müssten die Gefangenen vor Freude überwältigt sein, endlich aus ihrem Elend herauszukommen. Und sie sind dann überrascht zu erfahren, dass die Gefangenen lieber in der Höhle bleiben.
Wir begegnen diesem Phänomen überall: Selbst wenn es um eine persönliche Verbesserung geht, bleiben wir lieber im uns bekannten Status quo. Dies ist auf den so genannten „loss aversion bias“ zurückzuführen, ein kognitiver Wahrnehmungsfilter, der beschreibt, dass Menschen Verluste mehr fürchten als sie Gewinne zu schätzen wissen. Wir mögen unsere Komfortzone, wollen sie nicht riskieren und mögen einfach keine Veränderungen.
Hinzu kommt das Phänomen der „Neubekehrten“: Menschen, denen ein Wandel gelungen ist, meistens nach einer harten Zeit. Sie empfinden die neu erarbeitete Situation als Erlösung, sind von der Lösung überzeugt und wollen diese teilen, unterschätzen aber die Erfahrungslücke zwischen sich und ihren Mitmenschen. Als Konsequenz kommunizieren sie unwirksam. So kehrt in der Allegorie der freigelassene Gefangene als Neubekehrter in die Höhle zurück, vermag seine Erkenntnisse aber nicht an die anderen weiterzugeben, da sie nicht über seine Erfahrung verfügen. Die kommunizierte Verbesserung ist zu vage, um die Komfortzone auf‘s Spiel zu setzen, zumal sie selbst nur den verschlechterten Orientierungssinns des zurückgekehrten Gefangenen wahrnehmen.
Die Bedeutung des Change Managements
Change Management hat seit Platon einen langen Weg zurückgelegt. Dennoch gibt es aktuelle Beispiele von Change-Projekten, bei denen sich die Arbeit nur auf den physischen Akt der Befreiung der Gefangenen konzentriert (um in der Allegorie zu bleiben) und die psychologischen Aspekte nicht berücksichtigt werden, da es keine Zeit und kein Budget für solche „Glücksfaktoren“ gibt. Infolgedessen findet man die Gefangenen nach dem Projekt wieder angekettet in der Höhle vor. Laut einer PWC-Studie (20121) traf das auf 62% der Projekte mit dieser Einstellung zu: Sie sind gescheitert und haben große Investitionen verbrannt.
Mittlerweile erkennen die meisten Change- und Projektmanager die Notwendigkeit, Vorteile der Veränderung zu kommunizieren. Trotzdem neigen sie (die bereits überzeugt sind) dazu, die Vorteile nur aus ihrer eigenen Perspektive und Erfahrung zu vermitteln, die nicht von allen geteilt wird. Zudem reicht Kommunikation alleine nicht aus, um die kritische Masse zu überzeugen. Daher werden gerne Gruppen identifiziert, die den Wandel fördern und die Neubekehrten werden. Dies kann zu guten Ergebnissen führen, aber dennoch begrenzt sein. Wie in Platons Allegorie scheitern sie oft daran, dass andere nicht in der Lage sind, sich Dinge vorzustellen, die sie nicht selbst erlebt haben.
Die Allegorie zeigt Effekte, die wir täglich erleben. Veränderungen sind schwierig und komplex. Es gibt keine einfache Formel, um sie zu lösen. Es braucht Mühe, Zeit und Geduld. Und es erfordert die Fähigkeit, den Wandel über mehrere Dimensionen hinweg zu denken, zu analysieren und zu steuern.
Bei IMCM® geht es genau darum: zu akzeptieren, dass Veränderungen nie schnell und einfach sind. Menschliches Verhalten ist selten rational und oft schwer vorherzusagen. Es ist wichtig, Veränderungen und ihre Auswirkungen auf verschiedene Menschen und Dimensionen zu verstehen sowie Maßnahmen zu wählen, die den Menschen helfen, den Wandel zu erleben, zu erlernen und anzunehmen – und dies möglichst effizient und effektiv zu tun.
Dieser Artikel wurde erstmals in unserem initiative*magazine #12,
„Die Veränderungslücke“, veröffentlicht.
Um eine kostenlose Kopie dieser Ausgabe zu erhalten, klicken Sie auf den nachfolgenden Button.
Referenz:
Dieser Artikel basiert sich auf „Platon, un pionnier de la stratégie du changement“ von Maxime Baduel, erstmals veröffentlicht in “Le Cercle Les Echos”, übersetzt und bearbeitet von Mathieu Blondeau und Arlette Dumont du Voitel.
Sie möchten mehr über Change Management und IMCM® erfahren? Klicken Sie hier.