PMO im Brennpunkt – wie die steigenden Anforderungen mit den richtigen Soft Skills gemeistert werden

Dieser Artikel wird in unserem initiative*magazine #15 über agile PMOs veröffentlicht. Abonnieren Sie unseren Newsletter, damit Sie auf dem neuesten Stand bleiben!

Autor:
THOMAS KOPSCH

PMO ist in der Praxis meistens die Abkürzung für Project Management Office, manchmal die für Program Management Office und nur selten die für Portfolio Management Office. Schon diese Verwendung der Begrifflichkeit zeigt, wohin die Reise innerhalb des letzten Jahrzehnts gegangen ist.

Der Anspruch der großen Standards, insbesondere des PMI®-Standards, war (und ist), alle Projekte einer Organisation, ihre Programme sowie die zugehörige Arbeiten in einer Einheit zu vereinigen und sie auf die Strategie auszurichten. Dies war der große Anspruch an das PMO. Im Jahr 2012 sprach Arlette Dumont du Voitel in dem initiative*magazin (Ausgabe 04 – Editorial) von „seiner gespaltenen Persönlichkeit zwischen […] führen und geführt werden“. Darin kam schon zum Ausdruck, dass dieser Anspruch nicht überall erfüllt wurde. Tatsächlich wird heute der Begriff PMO in der Praxis mehr in die Nähe von Project Office, Projektbüro oder Projektassistenz gebracht, als in die Nähe einer strategischen Verantwortung. Kurz gesprungen könnte man meinen, dies sei ein Bedeutungsverlust. Tatsächlich aber ist die Bedeutung der konkreten Tätigkeiten, wie immer wir sie auch benennen, stark gewachsen! Nur die Theoretiker sind enttäuscht, weil die Praxis ihnen einen Begriff entrissen hat, mit dem sie große Ziele verbanden. Macht das die Ziele falsch?

PMO im Brennpunkt

Nein! Oder glaubt jemand, wir werden zukünftig weniger strategische Anbindung von Projekten und Programmen benötigen oder gar weniger Koordination zwischen ihnen?! Warum erfinden wir nicht einfach einen neuen Begriff für die großen Ziele?

Das gut gelebte PMO in der Praxis erreicht die kleinen, konkreten Ziele. Es besteht tatsächlich meist noch aus einer Person, die die Projektleitung unterstützt – und in dieser Rolle erleben wir einen Bedeutungszuwachs, der gleichzeitig über die Rolle hinaus strahlt.

Inhalt

Die vier Kernkompetenzen

Die Menge der Tätigkeiten eines in der Praxis so genannten PMO sind sehr vielfältig. Sie reichen von Assistenztätigkeiten über (toolgestützte) Planungs- und Controllingtätigkeiten bis zur Vertretung oder Nachfolge der Projektleitung. Die Anforderungen an die Projektmanagement-Kenntnisse werden immer höher, immer mehr Zertifizierungen werden erwartet. Den wahren Bedeutungszuwachs erfährt das PMO aber durch eher „weiche“ Anforderungen, die in einem Projekt meist die härtesten sind. Und in dem Maße, wie das PMO diese steigenden Anforderungen meistert, steigt auch seine praktische Bedeutung in einem konkreten Projekt.

Gelassenheit

Schon 2007 wagte die Deutsche Bank Research einen Ausblick auf „Deutschland im Jahr 2020“ – so der gleichnamige Report. Der Report beschreibt das Szenario einer „Projektwirtschaft“, die durch Flexibilisierung und Spezialisierung gekennzeichnet ist. Und tatsächlich erleben wir diese Trends in unseren Projekten: Agile Ansätze sind die Antwort auf erhöhte Flexibilitätsanforderungen. Und wie hoch der Grad der Spezialisierung mittlerweile ist, lässt sich leicht an den Anforderungsprofilen der Vermittlungsportale erkennen, wo es kaum noch zwei identische gibt.

Diese Situation erfordert ein Schnittstellenmanagement, dass in der Lage ist, die Vielzahl an Stakeholdern und Experten zu integrieren und diese durch sich verändernde Rahmenbedingungen zu bringen. Das ist nicht nur eine organisatorische und kommunikative Herausforderung, sondern auch eine mentale. Außerdem muss man eine gewisse Diskussionsbereitschaft mitbringen, um den „Sack Flöhe“ unter einen „Hut“ zu bringen.

Zumindest im nord- und mitteleuropäischen Raum hatte Projektleitung immer auch eine moderierende Funktion. Als PMO ist man in dem Zusammenhang aber auf die moderierende Funktion beschränkt. Das ist kein Nachteil, denn allzu dominante Ansätze sind im Schnittstellenmanagement eher kontraproduktiv, da die Stakeholder im Zweifel unabhängige Akteure mit eigenem Verantwortungsbereich und eigenen Interessen sind.

Konflikte müssen eher ausgehalten als ausgetragen werden, Ziele müssen beharrlich, aber mit Freundlichkeit verfolgt werden. Dies gelingt nur mit einer Mischung aus Empathiefähigkeit und innerer Distanz. Die sprichwörtliche stoische Gelassenheit kann hier Vorbild sein.

Abstraktionsfähigkeit

Im engen Zusammenhang mit dem erhöhten Anspruch auf Flexibilität in der Projektwirtschaft steht die Anforderung nach erhöhter Schnelligkeit. Lange Planungsphasen sind passé, ein Prototyp soll möglichst schnell getestet werden. Der Druck, schnelle Ergebnisse vorzuzeigen, ist in den letzten Jahren für Alle deutlich gestiegen. Dafür braucht man schon eine schnelle Auffassungsgabe!

Die allermeisten Unternehmen und Organisationen bringen mittlerweile agile Ansätze an den Start, der Handlungsbedarf ist immens. Die schnellen Entwicklungen laufen aber gerne auseinander und verstärken somit den Bedarf, den Überblick zu behalten, ansonsten geht die Steuerungskompetenz komplett verloren.

Auch hierin kommt dem PMO eine zentrale Rolle zu. Ohne die technische Detailkenntnis der Fachleute müssen deren Inhalte in verständlicher Form so (visuell) aufbereitet werden, dass Experten aus anderen Fachgebieten und das Management sie verstehen können. Ohne die mikropolitischen Schlachtfelder, die eine Projektleitung besuchen muss, gelingt dem PMO dies sachlich und neutral.

Eine gewisse Abstraktionsfähigkeit ist hier also auch von Nöten. Die sich schnell ändernden Situationen erfordern eine Einstellung, die Änderungen zunächst hinnimmt und nicht gleich an deren Sinnlosigkeit verzweifelt. Den Sinn gewinnt das PMO aus dem permanenten Streben nach Verbesserung im Kleinen und aus der Überzeugung, wichtige Beiträge zum Verbesserungsprojekt im Großen zu leisten.

Um mehr über das Thema PMO zu erfahren, können Sie die vierte Ausgabe unseres initiative*magazine „Fluch oder Zauberwort: PMO“ jetzt online lesen.

Bescheidenheit

Ein ganz banaler Fakt, warum PMO-Leistungen immer wichtiger werden, ist die permanente und systematische Überlastung der Projektleitung.

Dabei gibt es eine Überlastung beim Arbeitsvolumen, die daher rührt, dass Projektmanagementtätigkeiten in Quantität und Qualität immer noch unterschätzt werden (auch wenn das Bewusstsein für Projektmanagement in den letzten zehn Jahren fast durchgängig signifikant gestiegen ist). Erst wenn das Überstundenkonto der Projektleitung am Anschlag ist, werden weitere Budgets für Unterstützungsleistungen freigegeben.

Eine weitere Form der Überlastung der Projektleitung besteht in mangelnder Kenntnis von Methoden, Ansätzen, Tools u. ä.. Hier sollte ein PMO aus dem Hintergrund unterstützen, sozusagen ein „stilles Helferlein“ sein, das nicht darauf erpicht ist, die Lorbeeren für diese Arbeit zu ernten. Meistens sickert langfristig ohnehin durch, von wem die gute Arbeit ist.

Respekt

Die meisten Projekte finden mittlerweile in einem Umfeld statt, das um mehr Agilität ringt. Das Management verkündet die neue Marschroute und setzt hochmotivierte junge Leute für deren Umsetzung ein. Leider fehlt diesen häufig das detaillierte Erfahrungswissen über das Unternehmen und die Organisation.

Diesen Umstand machen sich alt-eingesessene Experten zu Nutze, um die Vorhaben auflaufen zu lassen. So oder so ähnlich laufen die Spiele, für die auch Projekte immer wieder eine Arena sind. Projekte geraten sozusagen zwischen die Fronten eines internen Kulturkampfes, für den sie häufig auch für die eine oder andere Seite instrumentalisiert werden.

Das PMO muss für beide Seiten Verständnis zeigen. Und das heißt nicht nur agile und vorhersehende Ansätze zu kennen und zu verstehen.

Es bedeutet viel mehr, den Menschen aus den gegensätzlichen Hintergründen mit Respekt und Wertschätzung zu begegnen:

  • Die junge engagierte Kollegin ist nicht einfach nur unerfahren und muss noch viel lernen. Sie bringt neue Ansätze mit, die ihre Berechtigung haben. Die manchmal theoretischen Ansätze müssen nur pragmatisch an die Praxis angepasst werden.
  • Der ältere erfahrene Kollege ist nicht einfach nur ein Veränderungsverweigerer, der sich mutlos in seine Nische zurückgezogen hat. Er hat sein Verhalten im Unternehmen über viele Jahre gelernt und optimiert. Er kennt jeden Winkel der Organisation und kann viele Menschen einschätzen. Sein Knowledge Asset ist ein wirklicher Schatz.

Ist die Haltung des Respekts zunächst prägend auf die Umgangsweise, so kann über diesen Weg auch herausgefunden werden, welche der erfahrenen Kollegen zu Bündnispartnern der Projektleitung gemacht werden können. Dies sind dann die mächtigen Schlüsselspieler.

Erfahrung und Ausblick

Ein in der Praxis häufig gefundener Ansatz, den Bedarf nach PMO-Leistungen zu decken besteht darin, eine nicht so stark ausgelastete Person aus dem Assistenzbereich mit der Aufgabe zu betrauen. Bei entsprechender Vorbildung kann das auch funktionieren, allerdings ist die Wahrscheinlichkeit nicht hoch. Eine solide Ausbildung in Standards und Tools sowie die Erfahrung in ihrer Anwendung sind die notwendige Bedingung (aber noch nicht die hinreichende (!)), in dem Bereich erfolgreich zu sein.

Generell haben interne Kräfte aber auch den Nachteil, dass sie nicht die notwendige Unvoreingenommenheit und Neutralität mitbringen. Sie stehen schon in einem bestimmten Licht und haben selbst vielleicht emotionale Präferenzen aufgebaut. Über die Jahre entwickelte Unverträglichkeiten zwischen Personen werden z. B. in das Projekt importiert. Dem wird durch den Einsatz externer Kräfte vorgebeugt.

Aber auch bei der externen Ausschreibung gibt es Fallstricke. Die Personalauswahl, die häufig über Vermittler läuft, ist sehr schematisch. Systematisch werden Tool- und Branchenerfahrungen überbewertet. Aber hier kann man nur an die auswählende Seite appellieren, an konkret geschilderten Situationen aus dem Erfahrungsbereich der Kandidatinnen und Kandidaten die Ausprägung der nötigen Soft Skills zu überprüfen.

Die nächste Dekade wird geprägt sein von großen Umstrukturierungen. Die gesellschaftlichen Großthemen wir Klimaschutz und Digitalisierung sind hier in aller Munde. Das Ringen um Modernisierung und Erneuerung wird aber allgemein ein mächtiger Antreiber sein (und Kapital ist nicht der Engpass).

Projekte waren immer ein Stück weit kulturelle Veränderung, nun wird diese Dimension aber zum äußerst kritischen Erfolgsfaktor. Gerade im Kulturkampf zwischen agilen und vorhersehenden Ansätzen wird die beschriebene Mischung aus Neutralität und Respekt nicht nur für die PMO-Leistung immer bedeutsamer. Sie wird vor allem bei vielen Unternehmen über Erfolg oder Misserfolg entscheiden! Mental richtig eingestellte PMO-Kräfte können hier einen nennenswert positiven Beitrag leisten und sich darin auch noch zur Projektleitung weiterentwickeln.

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Über den Autor

Thomas Kopsch

Thomas Kopsch

Thomas Kopsch is the managing partner of vero projects GmbH. He is an experienced change manager combining three main fields of experience: active project management, human resources, and IT-service management. He is specialised in leading organisational and technical development, implementing, and improving project management organisations.

Mathieu Blondeau

Mathieu Blondeau is a Marketing specialist with a strong international background. Open-minded and motivated, he gives the best to overcome new challenges.

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