Erfolgreiches Change Management erfordert motivierte und entschlossene Mitarbeiter. Doch was motiviert die Mitarbeiter im Veränderungsmanagement? Darauf finden sich verschiedene Antworten wie Identifikation und Selbsterkennung oder die Annahme von Herausforderungen und die Neugier, Neues zu erschaffen und die Zukunft zu gestalten. Aber nur selten teilt das Projektteam durchgehend diese der Veränderung gegenüber positiv eingestellte Haltung. Manche Mitarbeiter empfinden möglicherweise Sorgen, gar Ängste oder Aversionen anderer Art gegenüber einer entsprechenden Veränderung.
Es wird schnell klar, von welch großer Bedeutung nicht nur die Kommunikation, sondern vor allem das Verständnis von anderen Personen für das Vorhaben ist. Schließlich entwickelt jeder Mensch in seinem Leben seinen ganz eigenen Stil, mit Informationen umzugehen und diese einzuordnen.
Das International Multidisciplinary Change Management (IMCM®) – ein Standard für Change Management, der in einem Zusammenschluss namhafter Universitäten wie der Université Sorbonne Paris, der Université Paris Descartes, der Université du Quèbec à Montréal oder der Université de Liège entwickelt wurde – misst diesem Umstand große Bedeutung zu und verweist auf die Existenz von Wahrnehmungsfiltern. Das Wissen um diese Filter sowie den Umgang mit Verzerrungen, also abweichenden Wahrnehmungen, ist ausschlaggebend für die Kommunikation, die Koordination und die Führung während der Veränderung. Doch welche Filter gibt es eigentlich?
Zunächst ist da die kulturelle Prägung, wie wir Geschehnisse wahrnehmen. So können ganz unterschiedlichen Ansichten der Veränderung in ebenso unterschiedliche Weltbilder eingeordnet werden. Die Veränderung kann als einen Akt der Normalität betrachtet werden, aber ebenso kann Veränderung auch als Störung angesehen werden. Es ist daher wichtig zu wissen, was für ein Weltbild in den Köpfen der Mitarbeiter steckt. In der Anthropologie spricht man hier von der sogenannten emischen Perspektive, also die des Gegenübers oder der Mitarbeiter.
Dieser Punkt leitet fließend zu dem nächsten Wahrnehmungsfilter über: dem persönlichen Wahrnehmungsfilter. Dieser setzt ein, nicht wenn das Einnehmen der emischen Perspektive nicht gelingen mag (zum Beispiel durch ein falsches Verständnis des Mitarbeiters), sondern wenn überhaupt nicht versucht wird, sich der Ansichten der anderen anzunehmen. Allgemein gesprochen kommt der persönliche Wahrnehmungsfilter immer dann ins Spiel, wenn wir von uns auf andere schließen. Wenn wir annehmen, dass die Mitarbeiter den selben Informationsstand wie wir haben, unseren Referenzrahmen teilen und schließlich zu den gleichen Schlüssen und Befunden wie wir gelangen. Sicherlich gibt es auch Gemeinsamkeiten in der Wahrnehmung, jedoch verkennt dieser unrechtmäßige Rückschluss von sich selbst auf andere all jene Differenzen, aus denen Potenzial geschöpft und Lösungen im Prozess der Veränderung entstehen.
Die dritte Position stellen die zwischenmenschlichen Wahrnehmungsfilter dar, welche das Kommunikationsmodell nach Claude E. Shannon und Warren Weaver aufgreifen. Die Kunst der Kommunikation liegt demnach darin, das, was der Sender denkt, so zu verpacken und zu übergeben, dass der Empfänger eben jenes Gedachte versteht. Doch schon die Kodierung stellt uns allzu oft vor Probleme, vermögen wir mit unseren Worten gelegentlich nicht unsere Gedanken und Empfindungen auszudrücken. Hinzu kommen das gegenseitige Vertrauen, die soziale Stellung und auch die Gesinnung, Sprache, Lärm und viele weitere Faktoren, die unsere Kommunikation beeinflussen. Die Akzeptanz von und der bewusste Umgang mit den Störfaktoren der Kommunikation leisten hier Abhilfe.
Der letzte aufzuführende Wahrnehmungsfilter bezieht sich auf die Methodik und gängigen Fehlschlüssen daraus. Der Glaube an die eine Methode, die alleine zum Managen der Veränderung dient, ist das Paradebeispiel. Doch ebenso wird auch oft übersehen, dass je nach dem Bereich das Management völlig unterschiedliche Anforderungen stellt. Wer eine Linie gut managen kann, muss nicht automatisch eine Veränderung erfolgreich managen. Und auch in dem seltenen Fall, dass dies gelingen sollte, ist das Veränderungsmanagement immer noch eine Gruppenleistung und kann nicht durch einen Superhelden umgesetzt werden (was gerne hin und wieder angenommen wird, entweder vom Superhelden selbst, oder von den anderen Mitarbeitern oder von beiden). Der Wert eines Konsenses über die Wahl und Gestaltung des methodischen Vorgehens wird hier deutlich.
Wie also lassen sich jene Mitarbeiten in unser Boot holen, die bisher der Veränderung gegenüber feindselig waren? Eine Lösung besteht sicherlich in dem bewussten Umgang mit kulturellen Wahrnehmungsfiltern, also aktiven Perspektivwechsel. So erweitern wir nicht nur unseren Horizont – was uns vor persönlichen Wahrnehmungsverzerrungen bewahren kann – sondern schaffen auch Verständnis für unsere Mitarbeiter. Durch dieses Verständnis entsteht gewöhnlicherweise Vertrauen was wiederrum den Grundstein für eine erfolgreiche Kommunikation bildet. Verstehen die Mitarbeiter dann, dass es um das gemeinsame Erschaffen einer Zukunft geht und gelingt es uns, die methodische Verzerrungen zu entwirren, können die kollektive Intelligenz und Kreativität des gesamten Projektteams entfaltet und Veränderungen durch alle Mitarbeiter effektiv umgesetzt werden.