Unsere Praxis im Projektmanagement zeigt immer wieder, dass selbst Unternehmen, die den breiteren Einsatz von PMO (Project-, Program- und Portfolio Management Offices) als Organisationsform für eine tragfähige Projektmanagementkultur verstehen, eine große Diskrepanz zwischen zugewiesener Verantwortung und tatsächlicher Leistungsfähigkeit aufweisen. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, wenn in sehr vielen der Unternehmen PMOs sogar wieder geschlossen werden, weil sie aus Sicht des Top Managements keinen Mehrwert erbringen. In den Fällen, in denen das PMO einen strategischen Anspruch erfüllen soll – oder könnte -, bleibt es häufig in der administrativen Realität hängen. Und dies auch, weil das PMO nicht die Sprache und das Auftreten des Top Managements hat – ein wichtiger Hinderungsgrund für ein Verhältnis auf Augenhöhe.
Die Unterscheidung von zwei Welten in denen Unternehmen oder Organisationen geschäftlich aktiv sind, ist in der Diskussion um einen unternehmensweiten PMO-Ansatz hilfreich. Es ist eine Unterscheidung in eine Welt der „Routine“, d.h. der „laufenden Aktivitäten“, „laufende Prozesse“ einerseits und eine der „Veränderung“, d.h. der Vorhaben der Restrukturierung, der Innovation oder der Entwicklung andererseits. Beide Welten sind für den Unternehmenserfolg notwendig. Die eine, um die Marge zu erwirtschaften, um die Zukunft zu finanzieren, die andere, um diese Zukunft inhaltlich zu erarbeiten.
Ein Vergleich der beiden Welten ist insofern erstaunlich, als der ersten Welt, die der Routineorganisation, eine sehr weit- und tiefgreifende Aufmerksamkeit in Theorie und Praxis wiederfährt. Dieses ist geschehen und geschieht mit großem Erfolg. In der anderen Welt sind Strategische Planung, Investitions- und Kapitalentscheidungen, Entwicklung neuer Produkte oder Märkte, Insourcing, Outsourcing, Fusionen und Akquisitionen, organisatorische Restrukturierungen Beispiele für die Vielzahl von Veränderungsvorhaben, die für die zukünftigen Zahlungsströme essentiell sind. Diese Welt ist in der akademischen Lehre und organisatorischen Praxis unterentwickelt. Sie genießt nicht das gleiche Ansehen. Dass die Vorhaben dieser zweiten Welt in der Summe auch erfolgreich angegangen werden, ist eine Hypothese und es besteht die begründete Vermutung, dass sie in ganz erheblichem Umfang, vielleicht sogar überwiegend scheitern – empirische Studien sprechen von ca. 70%, die nicht ihr Ziel erreichen. Eine der wesentlichen Ursachen liegt darin, dass die Projektmanagementkultur und das Management der Projektlandschaft nicht die genügende Aufmerksamkeit als organisatorisches und strategisches Gestaltungselement für Veränderungsvorhaben einnimmt.
Projekte werden aus der Marge des Tagesgeschäfts von heute finanziert und entsprechend schlagen Missstände in den Projekten direkt und überproportional auf das Ergebnis und die Zukunft durch. Der Effekt ist vergleichbar, jedoch meist stärker noch, als Fehler in der Beschaffung. Insofern macht es Sinn, sich der Frage zu widmen, welche Herausforderungen diese zukunftsbestimmenden Vorhaben von Unternehmen oder Organisationen aufwerfen, worin sie sich von ihren Pendants im Tagesgeschäft unterscheiden und welche Antworten für diese organisatorische Welt gefunden werden müssen. Es ist, am Rande bemerkt, interessant, dass sich in vielen Publikationen zum Strategischen Management, zu dessen Inhalt das Herzstück Veränderungs-management zählt, die Begriffe „Projektmanagement“ kaum oder nicht nennenswert auftauchen.